Am Dienstag, 2. Juli 2024, feierten die Mauritzer Franziskanerinnen gleich zwei Jubiläen in Telgte: das 180-jährige Bestehen der international tätigen Ordensgemeinschaft und die Gründung der St. Franziskus-Stiftung als Trägerin ihrer Einrichtungen vor zwanzig Jahren. Rund 260 Gäste waren der Einladung von Schwester M. Diethilde Bövingloh, Provinzoberin der Deutschen Ordensprovinz, und Dr. Nils Brüggemann, Vorstandsvorsitzender der St. Franziskus-Stiftung Münster, gefolgt, darunter mehr als hundert franziskanische Mitschwestern aus ganz Deutschland, die Schwestern der internationalen Ordensleitung mit Sitz in Münster, die Geschäftsführenden der ersten Kliniken, die von den Schwestern gegründet und 2004 in die Franziskus Stiftung überführt wurden, sowie Vertreterinnen und Vertretern aus dem Bistum Münster, der Stadt Telgte, aus anderen Ordensgemeinschaften und aus der Nachbarschaft der Fachklinik.
Der Festakt im Saal des St. Rochus-Hospitals war geprägt von Dankbarkeit für bisher 180 Jahre Dienst der Ordensgemeinschaft, aber auch von Wehmut angesichts der altersbedingten Schließung des Gründungskonvents in Telgte. In ihren Grußworten dankten Wolfgang Pieper, Bürgermeister der Stadt Telgte, und Weihbischof em. Dieter Geerlings den Schwestern für ihr großes Engagement und betonten, dass die Verbundenheit zwischen den Franziskanerinnen und Telgte bestehen bleibt. Das bestätigte auch der Geschäftsführer des St. Rochus-Hospitals und Gastgeber der Jubiläumsfeier, Daniel Freese, der den wirtschaftlichen Mut und die Weisheit der Ordensschwestern hervorhob. „Das St. Rochus-Hospital wurde 1848 von den Franziskanerinnen gegründet. Heute beschäftigt unser Haus inklusive der angeschlossenen Tochtergesellschaften rund 1400 Mitarbeitende. Ich kann Ihnen versichern, dass wir alle uns nach Kräften bemühen, das lebendige Erbe der Schwestern in die Zukunft zu tragen und ihr Werk weiterhin im Sinne der uns anvertrauten Menschen fortzuführen.“

„Geschichte voller Aufbrüche“: Bewegender Dankgottesdienst in der Hospitalkapelle
Für die franziskanischen Ordensschwestern begann der Jubiläumstag mit einem Dankgebet am Grab von Pater Christoph Bernsmeyer, der die „Kongregation der Krankenschwestern vom Regulierten Dritten Orden des Hl. Franziskus“ – so der offizielle Ordensname – am 2. Juli 1844 in Telgte gründete. Vertreten waren Schwestern aus rund zwanzig Konventen der Deutschen Ordensprovinz sowie aus den Provinzen in Polen, Japan und Indien. Danach verabschiedeten sich die Schwestern vom Konventsgebäude am St. Rochus-Hospital in Telgte und schlossen den ersten Konvent der Ordensgemeinschaft, bevor sie mit der gesamten Festgemeinde um 10.30 Uhr einen feierlichen Dankgottesdienst in der Hospitalkapelle feierten.
Zelebriert wurde die Eucharistiefeier vom Spiritual der Franziskanerinnen, Pater Michael Plattig O.Carm. In seiner Predigt gab Pater Michael einen kurzen Überblick über die bisher 180-jährige Ordensgeschichte, die schon immer von Aufbrüchen geprägt war: Bereits 1848 gingen vier Schwestern aus Telgte ins damalige Schlesien, um bedürftigen Menschen zu helfen, und legten damit den Grundstein der heutigen Polnischen Ordensprovinz. Weitere Einsätze führten in die Niederlande, nach USA, China, Japan, Indien, Korea, Haiti, Tansania, Tschechien, Kasachstan und Vietnam. „Diese Einsätze waren im wahrsten Sinne ‚not-wendig‘, denn sie wendeten die Not der Menschen in der jeweiligen Zeit, am jeweiligen Ort“, führte Pater Michael aus. „Von Anfang an gingen die Schwestern dorthin, wo sie gebraucht wurden – immer mit viel Gottvertrauen, aber oft ohne Absicherung und ohne zu wissen, wie lange ihr Einsatz dauern würde.“ Mit dieser Haltung, so Pater Michael, stehe die Ordensgemeinschaft in einer großen Tradition des Glaubens mit biblischen Vorbildern von Abraham bis Jesus: „Sich auf den Weg machen, Aufbruch, nicht Festsetzen und Stillstand.“ Seinen Dank für das weltweite Wirken der internationalen Ordensgemeinschaft verband Pater Michael mit dem Hinweis darauf, dass auch der Abschied aus Telgte in diesem Sinne ein weiterer mutiger Aufbruch sei: „Der Aufbruch in eine Zukunft, die wir nicht kennen, die Gott aber schon bereitet hat!“ Tradition, Gegenwart und Zukunft des Ordens wurden in dem festlichen Gottesdienst auch dadurch symbolisiert, dass ein Kelch zum Einsatz kam, der Ordensgründer Pater Christoph Bernsmeyer gehört hatte. Für die stimmungsvolle musikalische Begleitung sorgten Wolfgang Thesing (Orgel) und Gernot Sülberg (Trompete).

„Gemeinsam auf dem Weg“: Verbundenheit und Dank
Nach dem Gottesdienst begrüßten Schwester Diethilde und Dr. Brüggemann die Jubiläumsgäste im festlich geschmückten Saal des St. Rochus-Hospitals. Mehr noch als die 180-jährige Ordensgeschichte sei der Anlass der Feier die am Morgen erfolgte offizielle Schließung des Gründungskonvents ‚Maria Hilf – St. Rochus‘, betonte Schwester Diethilde: „Deshalb haben wir Sie alle, die Sie ein Stück des Weges mit uns gegangen sind, heute eingeladen, noch einmal beisammen zu sein und unsere Erinnerungen auszutauschen.“ Die Provinzoberin erinnerte auch an den 2. Juli 2004, als die Ordensgemeinschaft ihre Einrichtungen in die Hände der St. Franziskus-Stiftung legte und ihr damit das Erbe der Schwestern anvertraute. Im Namen aller Mitschwestern dankte Schwester Diethilde dem Stiftungsvorstand und allen Mitarbeitenden der Stiftung dafür, dieses Vertrauen seither eingelöst zu haben. Insgesamt haben seit der Ordensgründung etwa zehntausend Mauritzer Franziskanerinnen ihr Leben in den Dienst von Gott und den Menschen gestellt. Außerdem bedankte sich die Provinzoberin herzlich bei der Geschäftsführung und allen Mitarbeitenden des St. Rochus-Hospitals für die gelungene Jubiläumsfeier.
Die Grüße der Stadt Telgte überbrachte Bürgermeister Wolfgang Pieper. In seiner Ansprache dankte er den Ordensschwestern für ihr Wirken und betonte: „Das, was Sie hier geleistet haben, bleibt erhalten!“ Als Zeichen der historischen und zukünftigen Verbindung der Stadt Telgte mit den Franziskanerinnen überreichte er Schwester Diethilde ein Stück aus der Telgter Marienlinde, das von der Künstlerin Simone Thieringer bearbeitet wurde.
Auch Weihbischof em. Dieter Geerlings dankte der Ordensgemeinschaft für ihren Dienst. Er nutzte die Technik des ‚Reframing‘, um den Abschied der Schwestern aus dem Telgter Gründungskonvent in den größeren Zusammenhang ihrer „Zeitgenossenschaft“ zu stellen, und richtete den Blick auf all das, was die Schwestern in den vergangenen 180 Jahren leisteten. „Je komplexer die Zeit, desto mehr sind Führungsqualitäten gefragt, um mit der Vielfalt umzugehen und Lösungen für die anstehenden Themen zu finden“, erläuterte er. „Diese Führungsqualitäten haben Sie zum Beispiel vor zwanzig Jahren mit der Gründung der Franziskus Stiftung bewiesen, und Sie beweisen Sie auch jetzt.“ Als einer der dankbaren Nachbarn meldete sich Johannes Peperhove zu Wort und stimmte mit der Festgesellschaft das Lied an: „So ein Tag, so wunderschön wie heute!“

Das vielfältige Engagement der Mauritzer Franziskanerinnen und das persönliche Lebenswerk der Schwestern wurde während der Feierstunde beispielhaft durch zwei Videobeiträge gewürdigt. Vorgestellt wurde Schwester M. Martinild Krümpelmann, die dreißig Jahre lang im St. Rochus-Hospital arbeitete, und die niederländische Schwester M. Jacintha Altenburg, die u.a. in den 1960er Jahren prägend war für den Aufbau des Labors im St. Bernhard-Hospital in Kamp-Lintfort und ab 2007 für die Einrichtung der Gedenkstätte Esterwegen. Die musikalische Begleitung am Klavier übernahm der Organist der Ordensgemeinschaft, Markus Schröder.
Die Geschenke, die am Ende des Festaktes überreicht wurden, geben Zeugnis von der bleibenden gegenseitigen Verbundenheit der Mauritzer Franziskanerinnen mit Telgte und mit allen Einrichtungen der St. Franziskus-Stiftung, die von den Ordensfrauen gegründet wurden. Von der Geschäftsführung des St. Rochus-Hospitals nahm Schwester Diethilde eine Sandsteinsäule entgegen, die vom Everswinkeler Bildhauer Stefan Lutterbeck aus Überresten der ersten Konventsgebäude gearbeitet wurde. Im Gegenzug schenkte die Provinzoberin im Namen aller Schwestern dem Rochus-Hospital einen Baum für den Garten der Fachklinik. Dr. Brüggemann, Vorstandsvorsitzender, und Kuratoriumsvorsitzender Dr. Ludger Hellenthal überreichten sechs Bronze-Platten der in Ennigerloh geborenen Bildhauerin Hilde Schürk-Frisch sowie Team-Fotos aus den Gründungshäusern der St. Franziskus-Stiftung Münster. Dies waren neben dem St. Rochus-Hospital auch das St. Franziskus-Hospital in Münster, das St. Bernhard-Hospital in Kamp-Lintfort, das St. Elisabeth-Hospital in Meerbusch-Lank, die St. Barbara-Klinik in Hamm-Heesen und die Fachklinik Maria Frieden in Telgte. Inzwischen stehen 26 Einrichtungen unter dem Dach der Franziskus Stiftung.
Schwestern erinnern sich an Aufbau-Arbeit und Wandel im St. Rochus-Hospital
Viele der Schwestern, die an der Jubiläumsfeier in Telgte teilnahmen, haben eine besonders enge persönliche Verbindung zum St. Rochus-Hospital, weil sie selbst dort gearbeitet und den Ausbau der Fachklinik aktiv mitgestaltet haben. „Als ich 1976 im Rochus-Hospital anfing, war ich die erste ausgebildete Ergotherapeutin und habe diese Abteilung Schritt für Schritt aufgebaut“, erinnert sich beispielsweise Schwester M. Manuela Musholt, die 20 Jahre lang in Telgte tätig war. „Inzwischen ist daraus ein Fachbereich mit 23 Mitarbeitenden geworden.“ Vor ihrem Einsatz absolvierte die bereits examinierte Kinderpflegerin und Krankenschwester eine dreijähre Ausbildung zur Ergotherapeutin in Hannover und Münster. „Die exzellente fachliche Qualifikation ist in unserem Orden schon immer sehr wichtig gewesen“, berichtet sie. Das bestätigt auch Schwester M. Cäcilia Musekamp, die von 1992 bis 2004 als Pflegedienstleiterin und Krankenhausoberin im St. Rochus-Hospital tätig war und sich durch eine Zusatzausbildung in Regensburg auf diese verantwortungsvolle Tätigkeit vorbereitet hatte.
Beide berichten über bewegte und bewegende Arbeitsjahre in einer Zeit, in der sich die Behandlung von seelisch erkrankten Menschen grundlegend geändert habe. So hätten sich durch Beschäftigungs- und Kreativprogramme im Rahmen der Ergotherapie ganz neue Möglichkeiten eröffnet, die Patienten und Patientinnen in ihren lebenspraktischen Fähigkeiten zu stärken, während die Einführung von Psychopharmaka die medizinische Therapie revolutionierte. Ebenso revolutionär war damals die Einführung von gemischten Stationen im St. Rochus-Hospital, in dem ursprünglich nur Frauen behandelt wurden. „Der erste männliche Patient wurde mit einem Blumenstrauß empfangen“, erinnern sich die Schwestern lachend.
Zunehmend wurden auch zivile Mitarbeitende eingestellt, während früher nur Franziskanerinnen in der Leitung der Stationen und der Betreuung der Patienten und Patientinnen tätig waren. Parallel gab es eine rasante bauliche Entwicklung des St. Rochus-Hospitals, die Schwester Cäcilia als Mitglied des Direktoriums mittrug und steuerte. Dazu gehörte der Aufbau von Tageskliniken in Warendorf und Ahlen, der Bau neuer Häuser für die Bewohner und die Einrichtung von Wohngruppen auf dem Hospitalgelände und in der Stadt. Deutlich mehr als die Bausitzungen habe ihr aber die wunderbare Aufgabe gefallen, immer ein offenes Ohr für alle Belange der Mitarbeitenden zu haben. Für die Belange der älteren Ordensschwestern hat sich Schwester M. Christfriede Fischer eingesetzt, die von 2008 bis 2022 in den Altenheimen der Franziskanerinnen arbeitete und bis zur Schließung des Gründungskonvents in Telgte wohnte. „Als ich 1963 zusammen mit 30 Schwestern meine erste Profess ablegte, gab es in unserer Provinz fast 100 Häuser und international ungefähr 3000 Mauritzer Franziskanerinnen“, erinnert sie sich.
Übereinstimmend betonen die Ordensschwestern, dass im St. Rochus-Hospital schon immer ein besonderer Geist herrschte, der auf das franziskanische Menschenbild gründete. Das sei natürlich im direkten Umgang mit den Patientinnen und Patienten deutlich geworden, aber auch schon in der immer wertschätzenden Sprache. „So war das St. Rochus-Hospital immer eine Fachklinik und nie eine Anstalt“, führen die Schwestern aus. „Alle Stationen tragen Namen und keine Nummern, und wir arbeiteten auf geschützten Stationen, nicht auf geschlossenen.“ Dass dieser franziskanische Geist heute von den Mitarbeitenden weitergelebt und in die Zukunft getragen wird, tröstet die Schwestern und erfüllt sie mit ganz viel Dankbarkeit.

Claudia Berghorn